Neues Miet- und Pachtrecht zum 1.01.2017 in Kraft

Das liechtensteinische Miet- und Pachtrecht basierte bis anhin im Wesentlichen auf Normen, die dem Grundbestand des ABGB aus dem Jahre 1811 zuzurechnen waren, ergänzt durch Mietzinsschutzbestimmungen und Vorschriften zur Erstreckung des Mietverhältnisses aus dem Jahr 1975. Seither waren verschiedene Anläufe zur Modernisierung des Miet- und Pachtrechts gescheitert. Das neue Recht führt demgemäss zu einer an die liechtensteinischen Verhältnisse angepassten moderaten Totalrevision, dessen Mieterschutzniveau bewusst hinter dem derzeitigen Stand in der Schweiz zurückbleibt und deutlich unter demjenigen des aktuellen österreichischen Mietrechts liegt.

Das alte Recht enthielt in den §§ 1090 – 1121 ABGB insgesamt 53 Vorschriften. Insoweit erscheint das neue Recht, welches nun in § 1090 Art. 1 – 109 ABGB mehr als die doppelte Anzahl Normen enthält, auf den ersten Blick wesentlich umfangreicher und komplexer. Da sich die neuen Normen jedoch mit Ausnahme der Art. 53/54 auf Schweizer Rezeptionsgrundlagen stützen (in den genannten Artikeln wurde § 1101 österr. ABGB rezipiert) und der liechtensteinische Gesetzgeber damit zu erkennen gegeben hat, dass im entsprechenden Bereich „Gleiches gelten soll wie im Ursprungsland“, wird mit der Revision kein Neuland geschaffen, sondern auch die Auslegung der Vorschriften im jeweiligen Ursprungsland importiert. Das neue Recht kann sich daher vom ersten Tag an auf ein erhebliches Mass an Rechtssicherheit stützen.

Ergänzt werden die materiellen Vorschriften durch novellierte Bestimmungen in den §§ 560 – 575 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie Vorschriften über die Nebenkosten in der Verordnung vom 30.08.2016 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG).

Gegenüber der alten Rechtslage sieht das neue Recht eine systematische Trennung von Miet- und Pachtvertrag vor, was indes Verweise aus dem Pachtvertrag auf die mietvertraglichen Regelungen nicht ausschliesst. So wird die nichtlandwirtschaftliche Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen der Miete solcher Räume grundsätzlich gleichgestellt.

Sodann dehnt das neue Recht den Schutz vor unzulässigen Mietzinsen auf die Miete von Geschäftsräumen aus und schützt neu ausserdem generell vor unzulässigen Forderungen des Vermieters.

Neu wird eine gerichtliche Anfechtungsmöglichkeit zweckfremder oder schikanierender Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen eingeführt.

Schliesslich werden die Erstreckungsbestimmungen für gekündigte Mietverhältnisse von Wohnräumen auf Mietverhältnisse von Geschäftsräumen ausgedehnt.

Das gegenüber dem Schweizer Recht bewusste Schutzgefälle besteht v.a.

  • bei der Anfechtung von Mietzinsen (in Liechtenstein keine Anknüpfung an das Kriterium der Missbräuchlichkeit, sondern an die „Erzielung eines unangemessenen Ertrags aus der Mietsache“),
  • im Bereich der VMWG (in Liechtenstein werden dort nur die Nebenkosten geregelt),
  • beim Eigenbedarf (in Liechtenstein hat der neue Eigentümer ein ausserordentliches Kündigungsrecht unabhängig von einer Dringlichkeit des Eigenbedarfs und ist die Anfechtbarkeit der Kündigung ausgeschlossen) und
  • bei der Erstreckung (in Liechtenstein ist eine aussergewöhnliche Härte für den Mieter erforderlich und beträgt die maximale Erstreckung lediglich 1,5 Jahre statt 4 bzw. 6 Jahre).

9.01.2017

Aussergerichtliche Streitbeilegung in verbraucherrechtlichen Angelegenheiten

Liechtenstein schafft neue Schlichtungsstelle in Angelegenheiten des Konsumentenschutzes

Verfahren vor staatlichen Gerichten sind für vertragliche Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern nicht immer der Weisheit letzter Schluss. In vielen Fällen kommt der Verbraucher erheblich kostengünstiger und schneller zu einer für ihn zufriedenstellenden Lösung, wenn er sich einer sog. Schlichtungsstelle bedienen kann. Aufgrund ihrer Konzeption stellt die aussergerichtliche Streitbeilegung für Verbraucher damit eine wichtige zusätzliche Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen Rechte dar, ohne dass der gerichtliche Rechtsschutz in irgendeiner Weise beschränkt wird.

Aktuell stehen jedoch europaweit noch nicht überall und für alle vertraglichen Streitigkeiten solche Schlichtungsstellen zur Verfügung. Um dieses Manko zu verbessern und die aussergerichtliche Streitbeilegung von vertraglichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern allgemein voranzutreiben, hat die EU am 8. Juli 2013 die Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Directive on consumer Alternative Dispute Resolutions, ADR-Directive) in Kraft gesetzt und für die EU-Mitgliedstaaten eine Frist bis 9. Juli 2015 zur Umsetzung vorgesehen. Deutschland und Österreich sind dieser Verpflichtung bereits durch entsprechende nationale Gesetze über alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen nachgekommen.

Das Fürstentum Liechtenstein ist bekanntlich nicht Mitgliedstaat der EU, sondern ist mit der EU im Rahmen des EWR-Abkommens assoziiert. Die Übernahme des EU-Rechts in den EWR findet daher nicht unmittelbar und direkt, sondern erst durch einen Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses statt. Mit Bezug auf die ADR-Richtlinie ist dies am 23. September 2016 (Beschluss Nr. 194/2016) geschehen. Da die Übernahme in den EWR-Acquis allerdings absehbar war, hat der Liechtensteinische Landtag das entsprechende Umsetzungsgesetz über die alternative Streitbeilegung in Konsumentenangelegenheiten (AStG) bereits am 1. September 2016 in 1. Lesung behandelt. Es darf daher mit einem Inkrafttreten zum 1.1.2017 gerechnet werden.

Da die bestehenden konsumentenrechtlichen Vorschriften schon mehrheitlich aus Österreich rezipiert wurden, wurde als Rezeptionsgrundlage für das liechtensteinische AStG auf das österreichische Gesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten zurückgegriffen.

Inhaltlich schafft das neue Gesetz eine Schlichtungsstelle für Verbraucherstreitigkeiten aus allen inländischen und grenzübergreifenden, entgeltlichen Kaufverträgen über Waren sowie aus sämtlichen Dienstleistungsverträgen, gleich, ob sie online oder offline, elektronisch oder konventionell geschlossen wurden. Diese neue Schlichtungsstelle wird beim Amt für Volkswirtschaft eingerichtet und tritt damit neben die bereits existierenden Schlichtungsstellen in den Bereichen Energie, Kommunikation und Finanzdienstleistungen. Sie fungiert darüber hinaus auch als Auffangschlichtungsstelle und als zuständige Stelle, die bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten Unterstützung dabei bietet, die international zuständige Schlichtungsstelle zu finden.

Da die Umsetzung der Richtlinie durch das AStG dem Konzept der sog. Minimalumsetzung folgt, obliegt auch die konkrete Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens der jeweiligen Schlichtungsstelle. Selbstverständlich sind dabei insbesondere die Vorgaben der Richtlinie zu beachten. Dies v.a. mit Blick auf die Kosten des Verfahrens, das für den Verbraucher in der Regel kostenlos sein soll und allenfalls mit einem „geringfügigen Beitrag“ (die Richtlinie spricht von einer „Schutzgebühr“) an die Kosten des Verfahrens verbunden werden darf.

Mit Einbringen der Beschwerde bei der zuständigen Schlichtungsstelle tritt eine Fortlaufshemmung bei der Verjährung der Ansprüche ein, welche bis zur Beendigung des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle dauert. Damit wird sichergestellt, dass im Falle einer Nicht-Einigung die gerichtliche Durchsetzung in gleichem Masse möglich ist, wie wenn kein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden wäre.

Schliesslich verpflichtet das AStG die Unternehmer, auf ihren Websites oder in ihren AGB gewissen allgemeinen und im Falle eines tatsächlichen Verbraucherstreits sodann auf Papier oder per Email konkreten Informationspflichten über die zuständige Schlichtungsstelle nachzukommen.

Fazit: Das AStG wird in Liechtenstein den Verbraucherschutz einen grossen Schritt voranbringen. Da es im Lande bislang keine Konsumentenschutzorganisationen gab, waren Verbraucher in Vertragsstreitigkeiten mit Unternehmern meist auf sich alleine gestellt und mussten ohne jegliche echte Alternative ein mit entsprechendem Prozess- und Kostenrisiko verbundenes staatliches Gerichtsverfahren beschreiten. Mit dem neuen Gesetz wird es nun auch im Fürstentum Liechtenstein möglich sein, beinahe in jedem Wirtschaftssektor für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern in einem institutionalisierten alternativen Streitbeilegungsverfahren nach Lösungen suchen zu können.

19.10.2016

Neues Verfahrenshilferecht

Bericht und Antrag zur Reform des Verfahrenshilferechts

Mit dem Verfahrenshilferecht (Dtl: Prozesskostenhilferecht; CH: Unentgeltliche Rechtspflege) wird auch einkommensschwachen Personen die Möglichkeit eröffnet, ihre hinreichenden Erfolg versprechenden und nicht mutwillig geltend gemachten Ansprüche vor Gericht verfolgen zu können. Das Rechtsinstitut dient somit der Verwirklichung des aus Art. 6, 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention hergeleiteten Grundsatzes der Rechtsschutzgleichheit.

In den letzten Jahren haben sich indes die Zahl der Verfahrenshilfefälle und damit verbunden die Kosten der Verfahrenshilfe in Liechtenstein stark erhöht. Zudem hatte der Staatsgerichtshof judiziert, dass der generelle Ausschluss juristischer Personen von der Verfahrenshilfe verfassungswidrig sei. Die Regierung sah sich deshalb gezwungen, das Verfahrenshilferecht grundlegend zu reformieren.

In einem ersten Schritt wurde mit Wirkung ab 1.1.2016 für Verfahrenshilfesachen ein reduzierter Anwaltstarif eingeführt (Art. 31 Rechtsanwaltsgesetz, RAG) und in § 63 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) der Verfahrenshilfeanspruch juristischer Personen festgeschrieben.

Für den nun anstehenden zweiten Schritt der Reform hat die Regierung am 10. Mai 2016 das formelle Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Dies geschieht mit der Vorlage des sog. „Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein“ (BuA 69/2016), über den der Landtag im weiteren Verlauf in zwei Lesungen beraten wird. Anschliessend steht das Gesetz Vorschrift für Vorschrift zur Schlussabstimmung an. Die Erste Lesung im Landtag wurde zwischenzeitlich bereits auf die Session vom 8.-10.6.2016 terminiert.

Mit der Regierungsvorlage sollen zunächst die bis anhin uneinheitlichen Zuständigkeiten mit Ausnahme der Bestellung des beigegebenen Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer in sämtlichen Zivil- und Strafsachen auf das Prozessgericht erster Instanz konzentriert werden.

Sodann soll die Verfahrenshilfe in Zukunft gleichzeitig mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz beim Prozessgericht gestellt werden.

Die Beigebung eines Verfahrenshelfers zur Vertretung vor Gericht wird künftig nur noch bei schwieriger Sach- oder Rechtslage gewährt. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, bleibt dem Prozessgericht überlassen und kann mit Rekurs an das Obergericht einmal überprüft werden.

Damit der betroffenen Person die Kostenfolgen des Verfahrens bewusst bleiben, soll den Gerichten neu die Möglichkeit eröffnet werden, mit der Gewährung der Verfahrenshilfe gleichzeitig auch eine Verpflichtung zu Ratenzahlungen während der aufrechten Verfahrenshilfe nach Massgabe der finanziellen Möglichkeiten der Person aussprechen zu können.

Nach Beendigung des Verfahrens wird die Partei zukünftig eine Mitteilung über die Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist, noch offen sind. Die Zustellung dieser Mitteilung löst die Verpflichtung der Partei aus, dem Prozessgericht während 10 Jahren jährlich ohne weitere Aufforderung ein Vermögensbekenntnis vorzulegen. Kommt die Partei der Vorlage des Vermögensbekenntnisses nicht nach, soll eine unwiderlegliche Vermutung greifen, dass sie zur Nachzahlung imstande ist. Soweit und sobald die Partei ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung der offenen Beträge in der Lage ist, ist sie mit Beschluss zur Nachzahlung zu verpflichten. Ebenso ist sie über Antrag zur Zahlung der restlichen Entlohnung des ihr zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalts nach dem Tarif zu verpflichten.

Man darf gespannt sein, ob die Vorstellungen der Regierung vom Landtag ohne Änderungen übernommen werden. Auf jeden Fall wird das verabschiedete Gesetz bei Prozessen in Liechtenstein auch weiterhin die einzige Grundlage für Verfahrenshilfe darstellen, wurde doch die EU-Richtlinie über Prozesskostenhilfe bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug vom 27.01.2003 (RL 2003/8/EG) nicht ins EWR-Recht übernommen.

Nachtrag vom 19.10.2016:

Der Landtag hat in zweiter Lesung der zweiten Stufe der Reform des Verfahrenshilferechts am 28.09.2016 ohne weitere Änderungen zugestimmt.

Vermittlung abgeschafft

Ab 01.07.2015 ohne Umweg direkt ans Gericht – Abschaffung der Vermittlerämter im Fürstentum Liechtenstein

Knapp 100 Jahre hatten sie Bestand, die Vermittlerämter im Fürstentum Liechtenstein. Nun sind sie Geschichte.

Ursprünglich mit Gesetz vom 12.12.1915 errichtet, diente die Institution des Vermittlers dazu, das Fürstliche Landgericht von einfacheren Zivilsachen zu entlasten. Mit dem Wandel des Fürstentums vom Agrarstaat zum modernen Industrie- und Dienstleistungsstaat wurden jedoch auch die sich im Lande stellenden Rechtsfragen immer komplexer und internationaler.

Zur Lösung dieser Probleme konnten die 11 gemeindlichen Vermittlerämter nur wenig beitragen, sodass die im Gesetz für alle Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Ehrenbeleidigungssachen vor Klagseinbringung beim Landgericht zwingend vorgeschriebene Vermittlungsverhandlung zunehmend zu einer bloßen Durchlaufstation wurde. Zudem wurde es offenbar immer schwieriger, Personen zu finden, die sich für die jeweils vierjährige Mandatsperiode zur Verfügung stellen wollten.

Im Dezember 2014 beschloss der Landtag in einer diskussionslosen zweiten Lesung deshalb die Aufhebung des Gesetzes zum 01.07.2015. Von nun an ist es den Streitparteien und deren Anwälten in eigener Verantwortung überlassen, im konkreten Fall zu entscheiden, ob und inwieweit der Klagseinbringung vorgeschaltete außergerichtliche Vergleichsgespräche, Mediationsversuche oder ähnliches angebracht und sinnvoll sind.

Darüber hinaus ermöglichen die wieder in Kraft gesetzten §§ 227 – 231 (liechtensteinische) ZPO auch den Abschluss eines prätorischen Vergleichs.